Die Riesen aus Fiberglas als Werbefiguren am Straßenrand
Wenn man in den 1960/70er Jahren eine Reise durch die USA unternommen hatte, sah man immer wieder "Muffler Men" am Straßenrand stehen. Die aus Fiberglas gegossenen Titanen sind ein Paradebeispiel für Straßenkitsch, den man heute fast nur noch an der Route 66 findet. Die bekanntesten Statuen, ursprünglich benannt nach ihrem Erfinder Paul Bunyan, hatten immer einen Körper aus derselben Form: stehend, Arme ausgestreckt, rechte Hand geöffnet nach oben, linke Hand geöffnet nach unten. Der Kopf und das Objekt in ihren Händen konnten jeweils angepasst werden. So entstanden - je nach Werbezweck - die unterschiedlichsten Figuren: Holzfäller mit Axt, Pirat mit Schwert, Automechaniker mit Auspuff, Cowboy mit Gewehr, Astronaut mit Rakete oder Farmer mit einem Hot Dog.
Irgendwie erinnert uns dieses Verfahren an die heutige Herstellung der Nikoläuse oder Osterhasen aus Schokolade, welche auch fast immer dieselbe Grundform haben und denen je nach Marke und Hersteller eine individuell gestaltete dünne Aluminiumfolie übergezogen wird.
Die Figuren wurden von 1963-1976 von der International Fiberglass Company aus Venice (Kalifornien) gegossen bzw. hergestellt und in ganz USA vertrieben.
Obwohl sich der Begriff "Muffler Man" (Auspuffmann) auf eine bestimmte Figur mit einem Autoschalldämpfer in der Hand bezieht, der auf eine Karossieriewerkstatt aufmerksam machen sollte, ist dieser zum Allgemeinbegriff für die riesigen Straßenstatuen geworden, die früher und heute zur visuellen Werbung eingesetzt werden.
Der erste "Muffler Man" war eine Statue, mit der das Paul Bunyan Café an der Route 66 in Flagstaff beworben wurde. Daher auch der Name für diese Grundform (Paul Bunyon-Statue).
Die Herstellung eines "Muffler Man" kostete zur damaligen Zeit ca. 1.000,- bis 3.000,- US-Dollar und bedeutete eine effektive und preiswerte Werbung. Die bis zu 10 Meter hohen Figuren am Straßenrand stachen dem Betrachter unweigerlich ins Auge.
Auf dem Höhepunkt der "Muffler Man"-Ära standen tausende solcher Figuren entlang der amerikanischen Highways, darunter auch einige Exoten für Geschäftsketten wie z.B. Sinclair Oil in Form eines Dinosauriers (die Darstellung ihres Logos) und Phillips Oil, an deren Tankstellen Figuren in Form von Cowboys aufgestellt wurden.
Als nach dem Bau der Interstates (Autobahnen) der Verkehr auf den Highways rapide abnahm, ging auch die Nachfrage nach den Werbefiguren zurück. Die Ölkrise im Jahr 1973, welche die Herstellung von Fiberglas enorm verteuerte, war schließlich der Todesstoss für die International Fiberglass Company und somit auch für die Herstellung der "Muffler Men".
Aktuell sind uns 10 Exemplare an der Route 66 bekannt:
Auf der Bildleiste unten v.l.n.r.:
- "Gemini Giant" in Wilmington, Illinois
- "Hot Dog Man" in Atlanta, Illinois (stand früher in Cicero bei Chicago)
- "Lauterdale Man" in Springfield, Illinois
- "Harley-Davidson Man" bei der Pink Elephant Antique Mall in Livingston, Illinois (kleine Ausführung, stand früher in Kansas)
- "Beach Boy" bei der Pink Elephant Antique Mall in Livingston, Illinois (keine Paul Bunyon-Figur)
- "Space Cowboy" bei Buck's Atomic Cosmic Curious on 66 in Tulsa, Oklahoma (neu seit Mai 2019)
- "Lumberjack" in Albuquerque, New Mexico, an der Ecke Central St/Louisiana Blvd. Bewirbt ein vietnamesisches Restaurant und soll im Juni/Juli 2019 restauriert werden.
- "Cowboy Muffler" bei John's Used Cars in Gallup, New Mexico
- "Lumberjack" am Eingang der Northern Arizona University in Flagstaff, Arizona
- "Chicken Boy" in Los Angeles, Kalifornien (keine Paul Bunyon-Figur)

Übersicht der "Muffler Men" an der Route 66.

Eine andere Fiberglas-Form ist der Dinosaurier, das Logo der "Sinclair Oil"-Kette, gesehen in Wyoming.
Auf diesem Bild (Google Earth) zwischen Sayre und Erick im Bundesstaat Oklahoma ist sehr anschaulich die Entwicklung der Route 66 im Laufe der Jahre zu erkennen: Von rechts nach links ist die Eisenbahntrasse zu sehen, daneben der Verlauf der alten Route 66, die am Anfang noch einspurig verlief. In der Mitte des Bildes der spätere Ausbau der Route 66 überwiegend auf zwei Spuren, so wie sie auch heute noch befahrbar ist. Links schlussendlich die heutige Interstate 40 (Autobahn) mit ihrem typisch breiten und begrünten Mittelstreifen.
Genau so entwickelte sich auch die Infrastruktur bei der Besiedelung des amerikanischen Westens: zuerst bewegten sich die Menschen auf Flüssen vorwärts, Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Eisenbahn und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde mit dem Bau der Straßen begonnen, die zu Beginn überwiegend entlang der Eisenbahn oder den Siedlerpfaden ("Trails") verliefen.
Hier noch ein Beispiel der Route 66 bei Dwight in Illinois:
Links die Eisenbahnschienen (heute zweigleisig), daneben die neuere, ausgebaute Route 66. In der Mitte ist noch ein kurzer Abschnitt der ursprünglichen Route 66 sichtbar, am rechten Bildrand wieder die Interstate 55.
